Deutsche Bahn startet Gesamtprogramm zur Sanierung von Infrastruktur, Eisenbahnbetrieb und Wirtschaftlichkeit bis 2027
Vorstand stellt Aufsichtsrat konkrete Ziele und Maßnahmen bis 2027 vor: Infrastrukturbedingte Verspätungen sollen um 20 Prozent gesenkt werden ● Verbesserung der Pünktlichkeit im Fernverkehr auf 75 – 80 Prozent geplant ● Operatives Ergebnis (EBIT) von 2 Milliarden Euro angestrebt ● DB-Chef Richard Lutz: „Wir treiben gleichzeitig die strukturelle Sanierung der Infrastruktur, des Eisenbahnbetriebs und der Wirtschaftlichkeit voran. Damit schaffen wir eine stabile Basis für den weiteren Wachstumspfad der Starken Schiene.“
Der Vorstand der Deutschen Bahn AG hat dem Aufsichtsrat heute ein Gesamtprogramm zur strukturellen Sanierung des Konzerns innerhalb der nächsten drei Jahre vorgestellt. Im Fokus stehen drei Dimensionen: die Sanierung der Infrastruktur, des Eisenbahnbetriebs und der Wirtschaftlichkeit. Ziel ist, bis 2027 die Leistungsfähigkeit der Schiene wieder herzustellen, das Kundenerlebnis durch eine höhere Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und weniger Störungen deutlich zu verbessern und die finanzielle Tragfähigkeit der DB abzusichern.
Aufsichtsratsvorsitzender Werner Gatzer: „Mit dem heute dem Aufsichtsrat vorgelegten Gesamtprogramm kommt der Vorstand einer Bitte des Aufsichtsrats aus der Strategiesitzung im Juni nach. Die Sanierung von Infrastruktur und Betrieb sowie die wirtschaftliche Erholung des Unternehmens sind klar formulierte Ziele, um den Konzern wieder auf Kurs zu bringen. Der Aufsichtsrat erwartet die Konkretisierung des Gesamtprogramms im Rahmen der Budget- und Mittelfristplanung für die Sitzung im Dezember und wird die Fortschritte bei der Umsetzung kontinuierlich begleiten.“
Der Erfolg des Sanierungsprogramms wird an mehreren wesentlichen Kennzahlen gemessen. Unter anderem soll in der Infrastruktur die Anzahl der infrastrukturbedingten Verspätungen trotz weiterhin hoher Bautätigkeit bis 2027 um 20 Prozent gesenkt werden. Im Betrieb soll die Pünktlichkeit im Fernverkehr in drei Jahren wieder zwischen 75 und 80 Prozent liegen. Das operative Ergebnis (EBIT) im Systemverbund soll bis 2027 auf 2 Milliarden Euro steigen.
„Die Strategie Starke Schiene ist seit 2019 unser Nordstern und hat uns während der vielen Krisen der vergangenen fünf Jahre Orientierung gegeben,“ sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn Richard Lutz. „Wahr ist aber auch: Die Infrastruktur ist heute in einem bedeutend schlechteren Zustand und weit störanfälliger als wir das im Jahr 2019 vorausgesehen haben. Das hat nicht nur Auswirkungen auf Qualität und Stabilität des Eisenbahnbetriebs, sondern beeinflusst auch unsere Ertragskraft. Hinzu kommen die vielen Krisen der letzten Jahre, die zu massiven Kostensteigerungen geführt haben. Mit dem Sanierungsprogramm „S3“ legen wir den Fokus in den nächsten drei Jahren auf die Stabilisierung des Systems und ein deutlich verbessertes Kundenerlebnis. Wir treiben gleichzeitig die strukturelle Sanierung der Infrastruktur, des Eisenbahnbetriebs und der Wirtschaftlichkeit voran. Damit schaffen wir eine stabile Basis für den weiteren Wachstumspfad der Starken Schiene und unseren Beitrag zu den verkehrs- und klimapolitischen Zielen des Bundes.“
Während die Nachfrage nach klimafreundlicher Mobilität kontinuierlich gewachsen ist und der Bund Investitionen in Rekordhöhe beschlossen sowie gemeinsam mit der DB die gemeinwohlorientierte InfraGO gegründet hat, gefährden die schlechte Betriebsqualität und schwierige wirtschaftliche Lage das Erreichen der Wachstumsziele des Konzerns. Gründe dafür sind neben einer zu alten, zu störanfälligen und zu vollen Infrastruktur auch externe Schocks wie die Corona-Krise, der Ukraine-Krieg, die hohen Preissteigerungen in der Wertschöpfungskette sowie der Fachkräftemangel.
Mit dem Sanierungsprogramm S3 soll bis 2027 zur Planung der Starken-Schiene-Strategie aufgeschlossen werden, die auf die langfristigen verkehrspolitischen Sektorziele der Bundesregierung ausgerichtet ist. Angestrebt wird dabei eine Verdopplung der Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr, die Steigerung des Anteils der Schiene am Güterverkehr auf 25 Prozent und die sukzessive Umsetzung des Deutschlandtakts.
Infrastruktur – schnelle Bestandssanierung im Fokus
In der Infrastruktur steht in den nächsten drei Jahren die schnelle Bestandssanierung im Fokus. Dies beinhaltet die Generalsanierung von insgesamt 1500 Streckenkilometern und damit aller kommunizierten Korridore bis 2027, die mit der Sanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim erfolgreich gestartet wurde. Ferner sollen störanfällige Anlagen in der gesamten Infrastruktur ersetzt und damit die Anzahl der Langsamfahrstellen deutlich reduziert werden. Die sogenannten Lost Units, die entstehen, wenn ein Zug durch ein Ereignis zwischen zwei Messpunkten auf einem Streckenabschnitt mehr als 90 Sekunden Verspätung aufbaut, um 20 Prozent reduziert werden. Außerdem sollen mit einem Sofortprogramm 200 alte, störanfällige Stellwerke ausgetauscht werden. Spürbare Wirkung wird auch die schnelle Kapazitätserweiterung durch kleine und mittlere Maßnahmen haben, die bis 2027 auf rund 200 steigen werden. Das bereits verkündete Programm für die Modernisierung der Bahnhöfe soll ebenfalls weiter vorangetrieben werden. Vorgesehen ist, pro Jahr 100 Bahnhöfe zu modernisieren.
Im Rahmen der bestehenden Haushaltsmittel und Verpflichtungsermächtigungen bis 2027 werden darüber hinaus gemeinsam mit dem Bund priorisierte Bedarfsplan- und Digitalisierungsvorhaben fortgeführt sowie alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Sanierungs- und Modernisierungsoffensive ab 2028 ohne Verzögerung weiter umzusetzen.
Betrieb – Neuartiges Bauen ist Erfolgsrezept
Die Sanierung der Infrastruktur ist eine wichtige Voraussetzung, um auch im Eisenbahnbetrieb Qualität und Stabilität zu verbessern. Darüber hinaus hat die Stabilisierung des Fahrplans höchste Priorität. Dazu wird das gesamte Bau- und Instandhaltungssystem in ein sogenanntes vertaktetes System überführt. Ziel ist, dass die Baustellen künftig über vorgegebene Zeitfenster dem Fahrplan folgen, statt wie heute umgekehrt. Bereits in den ersten Wochen der im zweiten Halbjahr gestarteten Umsetzung ist es gelungen, rund 80 Prozent der Instandhaltungsmaßnahmen innerhalb der vorgegebenen Zeitfenster abzuwickeln. Ein vergleichbares Konzept ist auch für die Investitionsmaßnahmen vorgesehen, kann aufgrund regulatorischer Anforderungen aber erst bis 2027 komplett ausgerollt werden. Mit diesen Maßnahmen wird die Anzahl der von Baumaßnahmen betroffenen Zügen deutlich reduziert.
Ein weiterer Schwerpunkt zur Sanierung des Betriebs liegt auf der punktuellen Entlastung der fünf wichtigsten Knoten (Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, München) in Deutschland. Hierzu sollen kurzfristige operative Maßnahmen wie etwa eine veränderte Reisendenlenkung zur Verbesserung der operativen Exzellenz umgesetzt werden. Gleichzeitig müssen zu komplexe Betriebskonzepte, insbesondere im Nahverkehr, vereinfacht werden. Mittel- bis langfristig wird für die Knoten in Abstimmung mit den Aufgabenträgern ein anderes Kapazitätsnutzungskonzept benötigt, da der infrastrukturelle Ausbau mit den steigenden Bedarfen nicht mithalten kann.
Zusätzlich soll die Verfügbarkeit und die Qualität der Fahrzeuge verbessert werden. Ziel ist, die pünktlichkeitsrelevanten Störungen zu verringern. Mit diesen Maßnahmen soll die Pünktlichkeit des Eisenbahnverkehrs sukzessive verbessert und in drei Jahren im Fernverkehr wieder eine Pünktlichkeit von 75 bis 80 Prozent erreicht werden. Um auch in den Zügen das Kundenerlebnis zu verbessern, wird ein weiterer Schwerpunkt darauf liegen, Störungen mit Auswirkungen auf den Komfort wie zum Beispiel ausgefallene Kaffeemaschinen oder defekte Bord-WCs zu reduzieren.
Bis 2027 sollen darüber hinaus wesentliche Digitalisierungsinitiativen bei den Fahrzeugen, der Fahrplanerstellung und der Betriebsdurchführung realisiert werden: In den nächsten drei Jahren soll die Mehrheit der Züge mit einer Software ausgestattet werden, die eine Zustandsüberwachung in Echtzeit erlaubt, um die Flottensteuerung und Instandhaltung zu verbessern. Eine neue leistungsfähige Software soll bei der Erstellung von konsistenten und konfliktfreien Fahrplänen unterstützen und die Automatisierung des Baufahrplans ermöglichen.
Wirtschaftliche Lage
Die zu alte, zu störanfällige und zu volle Infrastruktur hat massive Auswirkungen auf den Betrieb und damit auch auf die Wirtschaftlichkeit des Konzerns. Deshalb sind die Sanierung der Infrastruktur und des Betriebs wichtige Voraussetzungen für eine Ergebnisverbesserung in den nächsten drei Jahren. Darüber hinaus sollen eine Reihe von Maßnahmen dazu beitragen, den Konzern effizienter aufzustellen. Mit Blick auf die wirtschaftliche Lage hat sich die DB zum Ziel gesetzt, bis 2027 im Systemverbund ein operatives Ergebnis (EBIT) von 2 Milliarden Euro zu erwirtschaften. Außerdem soll die sogenannte Tilgungsdeckung, also das Verhältnis von operativem Cash Flow zu adjustierten Nettofinanzschulden, auf 12 Prozent in drei Jahren gesteigert werden. Die Personalaufwandsquote soll von heute 52 Prozent auf 50 Prozent gesenkt werden. Die Investitionshochläufe insbesondere in den Transportbereichen werden gegenüber den bisherigen Planungen angepasst und reduziert.
Die DB wird den Personalbedarf des Systemverbunds in den nächsten Jahren in zwei Phasen reduzieren. Bis zum Jahr 2027 wird die DB prioritär in den Bereichen Verwaltung, Vertrieb und indirekt operativen Funktionen reduzieren. Entlassungen sind nicht vorgesehen, die Regelungen zur Beschäftigungssicherung gelten uneingeschränkt weiter. Genutzt werden stattdessen verschiedene Instrumente wie die natürliche Fluktuation, der konzerninterne Arbeitsmarkt und freiwillige Altersteilzeit. Gleichzeitig wird die DB sicherstellen, dass das notwendige Personal für das operative Eisenbahngeschäft zur Verfügung steht. Deshalb wird in vielen Betriebsfunktionen unverändert auf Hochtouren eingestellt. Die notwendige Verbesserung der Wirtschaftlichkeit muss Hand in Hand gehen mit der strukturell notwendigen Sanierung von Infrastruktur und Eisenbahnbetrieb.
Die Maßnahmen zur Sanierung der Wirtschaftlichkeit umfassen den gesamten Systemverbund und damit auch die Infrastruktur, die internen Dienstleister und die Konzernleitung. Von besonderer Bedeutung sind die am Markt operierenden Geschäftsfelder.
DB Fernverkehr
Um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden, hat DB Fernverkehr in den vergangenen Jahren den Ausbau und die Modernisierung massiv vorangetrieben. Noch nie wurde so viel in Personal, Flotte und Werke investiert. Auch künftig wird das Angebot wachsen. Hierzu soll mit attraktiven Kundenangeboten, unter anderem im Geschäftskundenbereich, profitables Wachstum generiert werden. Dort, wo die Nachfrage besonders hoch ist, soll es zusätzliche Angebote geben, beispielsweise mehr Verbindungen im internationalen Verkehr. Auch in den Regionen werden künftig Ressourcen verstärkt dort eingesetzt, wo der Nutzen für die Fahrgäste am größten ist. So soll die Auslastung der Züge erhöht werden. Darüber hinaus plant DB Fernverkehr, zur Verbesserung seiner wirtschaftlichen Entwicklung die Investitionen in Flotte und Werke bis 2027 zu senken. Dazu sollen beispielsweise ausgewählte Fernverkehrswerke durch digitale und automatisierte Anwendungen unterstützt werden, sodass mehr Züge in weniger Zeit behandelt werden können. Außerdem sollen künftig mehr Fahrzeuge zum Einsatz für die Kundinnen und Kunden der DB kommen, indem Prozesse und Schnittstellen verbessert sowie unter anderem Reservequoten und Wendezeiten reduziert werden.
DB Regio
DB Regio konnte in den vergangenen Jahren mit einem attraktiven Angebot die Fahrgastzahlen wieder auf das Vor-Corona-Niveau steigern. Dabei lag die Pünktlichkeit durchgängig über 90 Prozent. Gleichzeitig wurden der Bereich Regio Straße saniert und verzeichnet seitdem kräftige Leistungszugewinne. Besonderen Fokus legt DB Regio auf die integrierte Alltagsmobilität, die sowohl operativ als auch digital vorangetrieben wird. Um die finanzielle und wirtschaftliche Tragfähigkeit insbesondere im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) weiter zu verbessern, sollen Personal- und Fahrzeugrobustheit gesteigert werden. Im Fokus der neu konzipierten Portfoliostrategie im SPNV stehen insbesondere Verkehre von strategischer Relevanz mit kalkulierbaren betrieblichen Risiken und stabilen Ergebnissen. Dabei soll der Marktanteil auf dem hohen Niveau von rund 60 Prozent gehalten werden. DB Regio Straße soll über den Zugewinn von Verkehren, operative Verbesserungen der Verkehrsverträge inklusive integrierter Mobilitätslösungen sowie der Reduzierung von Strukturkosten ab 2025 wieder profitabel sein.
DB Cargo
DB Cargo befindet sich bereits in einer weitreichenden Transformation, die darauf abzielt, das Geschäftsmodell wettbewerbsfähig für die Zukunft aufzustellen. Ab Januar 2025 wird eine neue kunden- und branchenorientierte Struktur entstehen: Mit der klaren Zuteilung und Bündelung von Ressourcen, mit hoher Eigen- und Ergebnisverantwortung können die Teams sich stärker an Kundenbedürfnissen orientieren. Diese unternehmerische Verantwortung und eher mittelständische Aufstellung wird die Profitabilität nachhaltig sicherstellen. Personalkapazitäten, Overhead-Strukturen und Einsatzbedingungen werden dabei branchenüblich gestaltet.