Koalitionsvertrag zwischen SPD und BSW in Brandenburg – Licht, Schatten und offene Fragen
Die Gewerkschaft ver.di Berlin-Brandenburg begrüßt die Einigung von SPD und BSW auf einen Koalitionsvertrag in Brandenburg. In den inhaltlichen Schwerpunktsetzungen sieht ver.di Licht, Schatten und offene Fragen.
Ausdrücklich begrüßt wird von ver.di das Bekenntnis zur Stärkung von Tarifbindung und Mitbestimmung. Die Festlegung auf ein wirksames Tariftreuegesetz und die Anhebung des Vergabemindestlohns auf 15 Euro sind hierfür notwendige Schritte. Auch die Refinanzierung von Tarifsteigerungen, orientiert an den Abschlüssen im öffentlichen Dienst für öffentlich geförderte Kulturprojekte, ist positiv hervorzuheben. Dass im Rahmen der Wirtschaftsförderung stärker auf Tarifbindung und Mitbestimmung geachtet werden soll, sieht ver.di als notwendigen Schritt. Offen lässt die Koalition jedoch, wie sie bei Freien Trägern, die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge übernehmen, die dringend notwendige Angleichung an die tarifliche Leitwährung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst fördern will.
Im Gesundheitsbereich ist die Betonung der freigemeinnützigen und kommunalen Trägerschaft von Krankenhäusern positiv zu bewerten. Während jedoch im Sondierungspapier noch der Erhalt aller Krankenhausstandorte angekündigt wurde, wird nun lediglich der Erhalt als Gesundheitsstandorte vereinbart. Die Koalition hält sich damit die Möglichkeit offen, im Zuge der Krankenhausreform Krankenhäuser in ambulante Versorgungszentren umzuwandeln. Welche Standorte nach welchen Kriterien dafür in den Blick genommen werden, bleibt jedoch unklar. Ebenso fehlt eine konkrete Aussage darüber, wie die finanzielle Unterstützung wirtschaftlich angeschlagener Krankenhäuser ausgestaltet werden soll – sowohl bei Betriebskosten als auch bei Investitionen -, um die wohnortnahe Versorgung zu sichern und eine Absenkung tariflicher Standards für die Beschäftigten zu verhindern.
Das Bekenntnis zur Qualitäts- und Fachkräftesicherung in den Kitas ist positiv, jedoch bleibt der Koalitionsvertrag jenseits der geplanten Ausweitung der Erzieher*innenausbildung konkrete Schritte schuldig.
Kritisch sieht ver.di die Ankündigung der Koalition, den Rundfunkbeitrag stabil zu halten. Vor dem Hintergrund der aktuellen Blockade der durch die zuständige Kommission empfohlenen Beitragsanpassung wäre ein klares Bekenntnis zu einem gut ausfinanzierten öffentlichen Rundfunk notwendig gewesen. Dies hätte auch notwendige Beitragsanpassungen umfasst.
Die Begrenzung von Befristungen im öffentlichen Dienst, insbesondere an Hochschulen, wird von ver.di positiv bewertet. Das gilt auch für das Bekenntnis zu einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. Hier erwartet ver.di sichtbare Aktivitäten im Rahmen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder.
ver.di begrüßt, dass die Koalition sich für eine vollständige Ost-West-Angleichung bei den Tarifverträgen im öffentlichen Dienst einsetzen will. Dies betrifft insbesondere die Arbeitszeiten, die im Osten immer noch länger sind als im Westen.
Die Schaffung von Nachwuchskräfte-Stellen ist wichtig, um eine langfristige Personalplanung zu ermöglichen. Ebenfalls positiv ist die Planung der Koalition, Wohnheimplätze auch für Auszubildende zu schaffen, wie es sie bisher vor allem für Studierende gibt.
ver.di begrüßt das Vorhaben, sich für eine gerechte Kostenbeteiligung von Haushalten beim Netzausbau einzusetzen und die Ideen der Bundesnetzagentur zu unterstützen. Bei den weiteren Evaluierungsprozessen sollte aus Sicht von ver.di das Thema der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten ein Hauptthema sein. Dies betrifft insbesondere die Übernahme von Personal- und Zusatzkosten, um den Betrieben die dringend benötigte Fachkräfteausbildung zu ermöglichen.
Die ausgabenrelevanten Verabredungen im Koalitionsvertrag stehen alle unter ausdrücklichem Finanzierungsvorbehalt. In diesem Sinne wird sich die Belastbarkeit vieler Ankündigungen erst in der Diskussion um den ersten Landeshaushalt zeigen.
„Bei der Aufgabenbeschreibung geht dieser Koalitionsvertrag in die richtige Richtung. Er lässt jedoch noch viele Fragen offen, wie die Koalition diese Aufgaben konkret angehen will. ver.di wird in den kommenden Jahren dafür Druck machen, dass aus den vielen Bekenntnissen und Prüfankündigungen in dem Papier konkrete Politik im Sinne der Bürger*innen in Brandenburg und speziell der Beschäftigten wird,“ erklärt der stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiter für Berlin-Brandenburg, Benjamin Roscher.
„Im Koalitionsvertrag finden wir einige Punkte – etwa bei der Tariftreue –, die sich bereits die letzte Landesregierung vorgenommen hatte. Wir erwarten, dass diese in der neuen Konstellation auch wirklich angepackt werden. Die Ankündigungen müssen jetzt schnell umgesetzt werden. Auch die deutliche Ablehnung der Schuldenbremse im Koalitionsvertrag ist zu begrüßen. Hier muss Brandenburg mit anderen Bundesländern eine Koalition der Willigen bilden, um Druck auf eine zukünftige Bundesregierung auszuüben,“ erklärt die ver.di-Landesbezirksleiterin für Berlin-Brandenburg, Andrea Kühnemann.