Brandenburg

Gesundheitsministerium bereitet landesweiten Dialog zur Hebammenversorgung vor

Rund ein Drittel der Hebammen erreicht in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter, deutlicher Geburtenrückgang erwartet – „Runder Tisch Hebammenhilfe“ soll Modellprojekte und Lösungsstrategien entwickeln

Das Gesundheitsministerium bereitet einen landesweiten Dialog zur Hebammenversorgung vor. Das kündigte Gesundheitsministerium Ursula Nonnemacher heute im Landtag an, nachdem der Antrag der Koalitionsfraktionen „Eine flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe auch in Zukunft sicherstellen – Strukturwandel aktiv gestalten, Hebammen und Geburtskliniken unterstützen und Hebammenausbildung absichern“ mehrheitlich beschlossen wurde. Der „Runde Tisch Hebammenhilfe“ soll noch im ersten Halbjahr 2024 erstmals einberufen werden. Er wird Modellprojekte und Lösungsstrategien entwickeln sowie die Kommunikation zwischen den Akteurinnen und Akteuren verbessern.

Grundlage für den Dialog sind die Ergebnisse des Hebammengutachtens, die Gesundheitsministerin Nonnemacher Anfang September vorgestellt hat. Das Gutachten zur aktuellen und künftigen Versorgung mit Hebammenhilfe im Land Brandenburg zeigt die großen Herausforderungen: Rund ein Drittel der Hebammen erreicht in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter, knapp die Hälfte der freiberuflich tätigen Hebammen plant eine Reduzierung der Arbeitszeit in den nächsten fünf Jahren, Brandenburg hält die Versorgungssicherheit in der Fläche mit kleinen Geburtskliniken aufrecht, die tendenziell stärker defizitär und von Personalengpässen geprägt sind, und insbesondere in den berlinfernen Regionen wird ein deutlicher Geburtenrückgang erwartet.

Gesundheitsministerin Nonnemacher sagte im Landtag: „Wir stehen vor großen Herausforderungen, wenn wir auch in Zukunft eine verlässliche, qualitativ hochwertige und gleichzeitig wohnortnahe stationäre geburtshilfliche sowie ambulante Versorgung mit Hebammenhilfe erreichen wollen. Die Probleme in der Versorgung mit Hebammenhilfen stehen deutschlandweit auf der Tagesordnung. In Brandenburg ist es uns in den vergangenen Jahren gelungen, die Zahl der Hebammen zu erhöhen. Auch die hohe Zufriedenheit der Mütter mit der Versorgung ist sehr erfreulich. In Eberswalde ist gerade die Hochschule der Gesundheitsfachberufe gegründet worden und der zweite Brandenburger Hebammenstudiengang gestartet. Wir bilden aktuell in Brandenburg so viele Hebammen wie noch nie zuvor aus.

Allerdings spüren wir die Auswirkungen des demografischen Wandels in unserem dünn besiedelten Flächenland gleich doppelt: in den kommenden Jahren werden viele Hebammen in Rente gehen, und der deutliche Geburtenrückgang bereitet besonders Geburtskliniken in berlinfernen Regionen zunehmend Schwierigkeiten. Denn niedrige Geburtenzahlen in einer Klinik beeinträchtigen die Wirtschaftlichkeit und schränken die Ausbildungsmöglichkeiten ein. Dies erschwert zusätzlich die Gewinnung von neuem Personal.

Mit dem Hebammengutachten liegen die notwendigen Daten vor, um die Versorgung mit Hebammenhilfe insbesondere im ländlichen Raum auch in Zukunft gezielt zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Um die bestehenden Herausforderungen zu meistern, sind die Zusammenarbeit und der fachliche Beitrag aller in diesem Bereich tätigen Akteure notwendig. Wir laden nun alle Akteurinnen und Akteure im Land zu einem Dialog ein, um gemeinsam gute Wege für Brandenburg zu finden, auf den allumfassenden Strukturwandel und die sich ändernden Rahmenbedingungen zu reagieren. Mit dem ‚Runden Tisch Hebammenhilfe‘ werden wir geeignete Konzepte, Modellprojekte und Lösungsstrategien entwickeln. Der heutige Landtagsbeschluss gibt uns dafür den nötigen Rückenwind.“

Aktuell sind 22 stationäre Geburtshilfen in Betrieb

Im Land Brandenburg verfügen gemäß Viertem Krankenhausplan insgesamt 25 Krankenhausstandorte über eine Geburtshilfe. Davon sind aktuell drei Geburtshilfen geschlossen: Rathenow (seit Januar 2021), Templin (seit Mitte April 2023) und Eisenhüttenstadt (seit Juli 2023).

Geburtenzahlen 2020 und 2021 auf dem Niveau von 2010 – 2022 deutlicher Rückgang

Im Jahr 2020 wurden in Brandenburg rund 19.000 neugeborene Kinder gemeldet und damit – nach einem zwischenzeitlichen Anstieg – wieder etwa gleich viele wie im Jahr 2010. Regional gab es allerdings deutliche Unterschiede: Im Berliner Umland stieg die Geburtenzahl im Zeitraum von 2010 auf 2020 leicht an (+3,9 Prozent), während sie in den berlinfernen Regionen leicht zurückging (-2,3 Prozent). Die Bandbreite reichte von 14,5 Prozent mehr Geburten im Landkreis Teltow-Fläming bis zu 16,7 Prozent weniger Geburten im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Laut Statistikamt gab es in Brandenburg im Jahr 2021 Meldungen von 19.029 Neugeborenen, im Jahr 2022 waren es nur 17.439.

Dies spiegelt sich auch in der Zahl der in Brandenburger Geburtskliniken zur Welt gekommenen Kindern wider: Im Jahr 2021 fanden in 24 Brandenburger Geburtskliniken insgesamt 14.928 Geburten statt. Dies ergibt durchschnittlich 622 Geburten je Brandenburger Geburtsklinik. Insgesamt wurden in elf dieser Kliniken weniger als 500 Geburten und in vier mehr als 1.000 Geburten registriert. Nach den aktuellsten vorliegenden Zahlen fanden im Jahr 2022 in 24 Geburtskliniken nur noch 13.659 Geburten statt. (Hintergrund: Jährlich werden 4.000 bis 5.000 Brandenburger Kinder außerhalb von Brandenburg geboren.)

Nach den Bevölkerungsprognosen wird es in den kommenden Jahren in Brandenburg einen Geburtenrückgang geben. Bis zum Jahr 2030 wird laut der mittleren Prognose die Geburtenzahl im Vergleich zu 2019 um 11 Prozent zurückgehen, dabei regional sehr verschieden: Während im Berliner Umland ein Minus von vier Prozent erwartet wird, sind es in berlinfernen Regionen bis zu minus 17 Prozent.

Zahl der beruflich aktiven Hebammen seit 2010 deutlich angestiegen

In Brandenburg sind aktuell schätzungsweise 601 Hebammen beruflich aktiv, davon ist rund ein Viertel sowohl freiberuflich als auch angestellt tätig. Die Zahl der freiberuflich tätigen Hebammen ist in den Jahren seit 2010 um 20 Prozent auf 503 (2021) gestiegen, die der angestellt tätigen Hebammen um 42 Prozent auf 248 (2020). Die Zahl der in Kliniken beschäftigten freiberuflichen Beleghebammen lag im Jahr 2020 mit 40 deutlich über dem Niveau von 2010 (17), ist aber seit ihrem Höchststand 2017 (57) kontinuierlich gesunken.

Rund ein Drittel der Hebammen erreicht in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter

Im Jahr 2021 waren 35 Prozent der Hebammen 55 Jahre oder älter. Diese Hebammen erreichen damit in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter. Dies betrifft auch die Geburtskliniken – dort überwiegen die angestellten Hebammen im Alter von 50 Jahren und älter mit einem Anteil von rund 43 Prozent. Für die Beleghebammen gilt dies in noch stärkerem Maße: Mehr als zwei Drittel sind mindestens 50 Jahre alt. „Hier ist abzusehen, dass es ohne grundsätzliche Änderungen bereits in wenigen Jahren kaum noch Beleghebammen in Brandenburg geben wird“, so die Gutachter.

Hohe Zufriedenheit der Mütter mit der Hebammenversorgung

Mehr als drei Viertel der Mütter sind mit der stationären Hebammenversorgung und Geburtshilfe zufrieden oder sehr zufrieden, sowohl im Berliner Umland als auch in den berlinfernen Regionen. Mit der Betreuung auf der Wochenbettstation oder auf der Neu-/Frühgeborenenstation sind knapp zwei Drittel zufrieden oder sehr zufrieden. Ein Grund für diese geringere Zufriedenheitsquote dürften auch die durch die Corona-Pandemie bedingten Besuchs-Restriktionen gewesen sein, so die Gutachter.

Bei der Auswahl einer Klinik spielen für Frauen vor allem ihre gute Erreichbarkeit und die Versorgungsmöglichkeiten im Notfall (Neonatologie, Kinderklinik) eine Rolle. Insgesamt waren 87 Prozent der befragten Mütter mit der Erreichbarkeit ihrer Geburtsklinik eher oder sehr zufrieden.

 

 

Hebammen-Förderrichtlinie des Landes Brandenburg

Mit der Hebammen-Förderrichtlinie unterstützt die Landesregierung seit August 2020 Hebammen finanziell bei der Ausbildungsbegleitung (Externat), bei der Gründung einer eigenen Praxis und bei Fortbildungen. Dafür stehen pro Jahr bis zu 250.000 Euro zur Verfügung.

Seit August 2020 bis Ende September 2023 wurden 56 Praxisgründungen bzw. Neu-Niederlassungen von Hebammen und drei Geburtshausgründungen unterstützt. Brandenburg ist neben Bayern und Sachsen das einzige Bundesland, dass eine solche Förderung für Hebammen anbietet.

Die Förderung kann beim Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV) beantragt werden: https://lasv.brandenburg.de/lasv/de/zuwendungen/gesundheit/.

Hintergrund zum Gutachten

Für die Untersuchung hatte ein IGES-Expertenteam Hebammen, Hebammenschülerinnen, Geburtskliniken und Geburtshäuser, Gesundheitsämter sowie gut 1.000 Mütter befragt, deren Kinder zwischen Mai 2020 und Juni 2021 geboren wurden. Ergänzend wurden Fachliteratur sowie Bevölkerungsstatistiken ausgewertet und Erreichbarkeitsanalysen durchgeführt.

Das Gutachten, sowie eine Kurzfassung, findet sich auf der Website des Ministeriums unter msgiv.brandenburg.de

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