Ratgeber

Grauzone Influencer-Werbung für Nahrungsergänzungsmittel

Verbraucherzentrale zeigt Kluft zwischen Theorie und Praxis auf

Gesundheitsbezogene Aussagen zu Nahrungsergänzungsmitteln unterliegen europaweit strengen Regelungen. Doch ganz anders sieht es aus, wenn Influencer:innen behaupten, ein durch sie beworbenes Produkt habe ihnen selbst gegen Kopfschmerzen, Haarausfall, Depressionen oder andere Leiden geholfen: das ist kaum nachprüfbar und von unzulässiger Gesundheitswerbung schwer abzugrenzen. Lebensmittelrechtsexpertin Annett Reinke von der Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB) zeigt auf, wo strenge EU-Regeln auf das Recht der Meinungsäußerung und internationale Märkte stoßen.

Unzulässige Werbung

Beschwerden von Migräne über Haarausfall bis hin zu Depressionen drohten bei schlechter Darmgesundheit, doch dagegen helfe eine Darmgesundheitskur mit verschiedenen „Aloe-Vera-Drinking-Gelen“ – so warb eine Influencerin auf Instagram. Für eines der Gele versprach sie gar die Heilung von zahlreichen Erkrankungen wie unter anderem Arthritis, Gicht und Rheuma. Das Portal Lebensmittelklarheit der Verbraucherzentralen stufte die Werbung als unzulässig ein.

Strenge EU-Regelungen

„Behauptungen, dass ein Nahrungsergänzungsmittel gegen Krankheiten oder andere Leiden helfe, sind grundsätzlich verboten. Nahrungsergänzungsmittel sind rechtlich Lebensmittel, keine Arzneimittel und dienen nur als mögliche Ergänzung einer normalen Ernährung“, erklärt Annett Reinke.

Gesundheitsbezogene Aussagen wie beispielsweise „Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ müssen eine wissenschaftliche Prüfung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit bestanden haben und von der EU-Kommission explizit zugelassen sein. Das regelt die sogenannte Health-Claims-Verordnung. Die strengen Regeln gelten auch für Werbung in Online-Shops oder auf Social-Media-Kanälen wie Instagram oder TikTok. Für Verstöße sind die Lebensmittelüberwachungsbehörden des Bundeslandes zuständig, in dem der Werbende seinen Sitz hat.

Graubereich der Meinungsäußerung

Ganz anders sieht es aus, wenn beispielsweise Influencer:innen von ihren persönlichen Erfahrungen berichten. „Dass ein Nahrungsergänzungsmittel ihnen selbst guttue oder gegen ein Leiden geholfen habe, kann unter ihr Recht auf Meinungsäußerung fallen“, sagt Reinke. Selbst wenn sie Geld von einem Unternehmen für Werbung erhalten haben und ihren Content als Werbung kennzeichnen, lassen sich angebliche persönliche Erfahrungen kaum nachprüfen.

Dabei ist die Wirkung entsprechender Aussagen keinesfalls zu unterschätzen, insbesondere angesichts der enormen Reichweite, die Influencer:innen mitunter erreichen, und des großen Vertrauens, das sie genießen. Erfahrungsberichte anderer in Bewertungen oder Kommentaren erwecken mitunter zusätzlich den Eindruck, dass ein Produkt schon bei vielen anderen Personen Unglaubliches bewirkt habe.

Social-Media-Werbung als internationales Geschäft

Werbung auf Social Media macht vor Ländergrenzen nicht Halt. „Viele Nutzer:innen konsumieren selbstverständlich Inhalte, die außerhalb der EU entstanden sind“, sagt Reinke. Hier greifen die Regeln der EU nicht. Produkte, die den rechtlichen Vorgaben zum Beispiel in den USA entsprechen, sind hier möglicherweise nicht erlaubt.

Vorsicht vor Werbeaussagen

Verbraucher:innen rät Reinke, Werbeaussagen grundsätzlich kritisch zu hinterfragen. Besondere Vorsicht gelte, wenn Influencer:innen einzelne, angeblich persönliche Erfahrungsberichte als Beleg für die Wirksamkeit von Produkten aufführen, während nachvollziehbare Daten aus kontrollierten klinischen Studien fehlen. Übertriebene Aussagen oder das Schüren von Ängsten sollten Interessierte ebenso misstrauisch machen. Wichtig sei zudem, über den Mechanismus von Werbung auf Social Media aufzuklären.

Melden von Fällen und weitere Informationen

Wer verdächtige Werbung entdeckt, kann diese über die Beschwerdebox der VZB an die Verbraucherzentralen melden.

Weitere Informationen finden Interessierte auf den Webseiten der Verbraucherzentralen, beispielsweise unter Klartext Nahrungsergänzung.

Unter www.lebensmittel-forum.de beantworten die Verbraucherzentralen alle Fragen rund um Ernährung, Lebensmittel, Kennzeichnung und Verpackung kostenlos in einem bundesweiten Lebensmittel-Forum.

 

Für individuelle Fragen können Verbraucher:innen die Beratung der Verbraucherzentrale Brandenburg in Anspruch nehmen:

 

Über die Verbraucherzentrale Brandenburg e.V.

Die Verbraucherzentrale Brandenburg e.V. (VZB) ist die wichtigste Interessenvertretung der Brandenburger Verbraucher:innen gegenüber Wirtschaft und Politik. Sie bietet unabhängige Verbraucherberatung, -information und -bildung zu zahlreichen Themen: Markt & Recht, Reise & Freizeit, Finanzen & Versicherungen, Lebensmittel & Ernährung, Digitales & Telekommunikation, Energie, Bauen & Wohnen. Zudem berät sie zu deutsch-polnischem Verbraucherrecht.

Darüber hinaus mahnt die VZB Unternehmen ab, die zu Ungunsten von Verbraucher:innen gegen geltendes Recht verstoßen und klärt die Öffentlichkeit über Verbraucherrechte, Abzockmaschen und Spartipps auf.

Aktuelle Informationen gibt es auf www.verbraucherzentrale-brandenburg.de

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