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Heimatgeschichtliche Beiträge 2022/2023: Geschichten aus Werderopolis

Wäre es nach Johann Daniel Richter gegangen, so hätte die Stadt Werder im 18. Jahrhundert einen neuen Namen bekommen. Er riet dem Magistrat zu einer Umbenennung in „Werderstadt“, „Stadtwerder“ oder „Werderopolis“. Bei einer Beibehaltung des Namens „Werder“ sah er eine allzu hohe Verwechslungsgefahr, da sich bereits „acht bin neun Dörfer dieses Namens in der Mark Brandenburg finden, und selbst ein Theil von Berlin diese Benennung führt“.
Auch wenn der Magistrat dem Vorschlag nicht folgte, ist die Idee bemerkenswert. Zumal sie aus einem bis dahin unbekannten Papier stammt: einer Werder-Chronik eines Mannes, der als „Kriegs- und Steuerrat zu Potsdam“ tätig war. Die Chronik von Johann Daniel Richter erschien im Jahr 1787, also nur drei Jahre nach der weithin bekannten Werder-Chronik  des Stadtschreibers Ferdinand Ludwig Schönemann, auf den sich Theodor Fontane in den Werder-Kapiteln seiner Wanderungen immer wieder bezog.
Der Heimatforscher Detlef Tympel hat die Richter-Chronik ausgegraben, in der neuen Doppelausgabe der „Heimatgeschichtlichen Beiträgen“ wurde nach einer kleinen Einführung ein erster Teil davon abgedruckt. Für Ortschronist und Ehrenbürger Dr. Baldur Martin, der die Heimatgeschichtlichen Beiträge herausgibt, ist es ein kleiner Sensationsfund für die Stadt. Die Auseinandersetzung mit den Inhalten der Richter-Chronik werde die Kenntnisse um die Stadtgeschichte jener Jahre weiter bereichern.
„Richter setzt aus seinem Blickwinkel als Finanzfachmann zum Teil ganz andere Schwerpunkte als Schönemann“, sagt Baldur Martin. Als Beispiel nennt er einen von Richter dokumentierten Abgabenstreit der Stadt mit dem Zauche-Kreis im Jahr 1773: Es ging um „zu hoch angelegte Fouragelieferungen“. „Da gibt es Parallelen zur Gegenwart, wenn ich an die Kreisumlage denke“, so Dr. Martin schmunzelnd. Das sei bei weitem nicht das einzige historisch interessante Detail der Richter-Chronik.
Für Bürgermeisterin Manuela Saß zeigt die Veröffentlichung des Fundes, welchen Stellenwert die Heimatgeschichtlichen Beiträge für die stadtgeschichtliche Forschung haben.  „Wer dachte, dass wir mit den Publikationen zur 700-Jahr-Feier nun alles beleuchtet haben, hat sich geirrt.“ Menschen, Orte und Ereignisse der Stadtgeschichte, aber auch der Gegenwart von Werder (Havel) wurden und werden in den Heimatheften von verschiedenen Autoren dokumentiert.   „Bis in die Gegenwart sind sie das wichtigste Standbein der Werderaner Heimatforschung“, so die Bürgermeisterin.
Der inhaltliche Paukenschlag der neuen Ausgabe fällt mit dem Abschied von Baldur Martin von der Herausgeberschaft zusammen. 1982 hat er die Broschüre erstmals zusammengestellt. Manuela Saß dankte Dr. Martin für diese Leistung. „Dass in diesem Heft nur ein erster Teil der Richter-Chronik veröffentlicht wird, lässt hoffen, dass es mit der Sammlung unter einer neuen Regie weitergehen wird.“ Das gelte auch für die anderen Artikel, die ihrerseits in einer Reihe von interessanten Inhalten und Autoren stehen.
Neben der Richter-Chronik geht es unter anderem um die Polizeigeschichte der Stadt, den Künstler und Kulturarbeiter Karl Lill (1929-1994), das Havelländische Obstanbaugebiet in der DDR oder als Gegenwartsthemen die Friedhofskultur und die Wohngenossenschaft Uferwerk. Baldur Martin selbst steuerte ein Porträt über den Werderaner Musiker Thomas Walter Maria bei, der zur 700-Jahr-Feier der Stadt das Musikfestival „Werder klingt“ aus der Taufer gehoben hat.
Die Heimatgeschichtlichen Beiträge erscheinen unter dem Dach des Heimatvereins Werder, der Druck wird von der Stadt Werder (Havel) unterstützt. Auch Heimatvereins-Vorsitzender Erhard Schulz dankte Baldur Martin für seine jahrzehntelange Arbeit und deutete an, mit einem Kandidaten für die Nachfolge des Herausgebers im Gespräch zu sein.
– Die 31. Heimatgeschichtlichen Beiträge 2022/23 sind als Doppelheft 120 Seiten dick und zum Preis von 12,50 Euro in folgenden Geschäften erhältlich: Buchhandlung Hellmich in der Brandenburger Straße 161, Boutique GaheJuwéle an der Havelauen-Promenade, Zum Großen Zernsee 6F und Das Kartenhaus im Werderpark, Auf dem Strengfeld 6.

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