Brandenburg

Jugendstudie 2022/2023 – Erste Ergebnisse liegen vor

Die ersten Ergebnisse der Jugendstudie „Jugend in Brandenburg 2022/2023“ liegen vor. Sie wird seit 1991 regelmäßig im Auftrag des MBJS durch das Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Potsdam (IFK) an Brandenburger Schulen durchgeführt. Von Beginn an wurden auch die Themen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus untersucht. Die aktuelle Studie erhebt erstmals auch Aussagen zu Diskriminierungserfahrungen. Am Rande des Fachgesprächs Extremismus an Schulen wurden diese Ergebnisse in Cottbus vorgestellt.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Rechtsextreme Einstellungen von Jugendlichen haben seit der letzten Studie (2017) nicht weiter zugenommen und die Mehrheit der Jugendlichen lehnt rechtsextreme Aussagen ab. Ein weiteres Ergebnis: Ausländerfeindliche Einstellungen sind bei Jugendlichen deutlich verbreiteter als rechtsextreme Einstellungen. Bei dem erstmals abgefragten Themenfeld Diskriminierung fällt auf, dass rund ein Drittel der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft Diskriminierungserfahrungen gemacht hat.

Katrin Krumrey, Kinder- und Jugendbeauftragte des Landes: „Brandenburg hat in den letzten Jahren schon einiges getan, um dem gesamtgesellschaftlichen Problem Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus entgegenzutreten. Spätestens seit Mitte der 90er Jahre gehört zu den Grundzügen Brandenburger Politik, solchen Bestrebungen pädagogisch, aber auch repressiv zu begegnen. Die Jugendstudie zeigt, dass hier durchaus Erfolge erzielt wurden. Wir haben sehr gute Angebote im schulischen Kontext und im Bereich der Kinder und Jugendbildung. Zu nennen ist hier der 5-Punkte-Plan zur Stärkung der politischen Bildung, der derzeit umgesetzt wird. Hier ist es wichtig, dran zu bleiben. Nach der Einführung des § 18a in die Brandenburgische Kommunalverfassung hat die Kinder- und Jugendbeteiligung im Land Brandenburg einen großen Aufschwung erfahren. Kinder und Jugendliche erleben, wie Demokratie funktioniert und wie sie ihre Interessen formulieren und in politische Entscheidungsprozesse einbringen können. Außerschulische Jugendbildung regt junge Menschen an, verschiedene Standpunkte zu verstehen und ihre eigene Meinung zu bilden – auf dieser Grundlage wächst ihre Widerstandskraft gegen populistische und vereinfachende politische Strömungen.“

Prof. Dr. Dietmar Sturzbecher, Direktor des IFK an der Universität Potsdam: „Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus sind keine jugendspezifischen (ostdeutschen), sondern gesamtgesellschaftliche Probleme. Sie müssen als solche verstanden und bekämpft werden. Dabei stehen sowohl der Staat als auch die Zivilgesellschaft in der Verantwortung. Bei den Jugendlichen kommt in diesem Kontext auch den Schulen eine wichtige Rolle zu. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass sich extremistische Einstellungen mit zunehmendem Alter abschwächen und hier schulische Präventionsprojekte wirksam sind. Unsere Ergebnisse zeigen zudem, dass hohe internale Kontrollüberzeugungen ausländerfeindlichen und rechtsextremen Einstellungen entgegenwirken. Wir müssen Jugendlichen also die Überzeugung vermitteln, dass sie ihres ‚eigenen Glückes Schmied‘ sind.“

 

Alfred Roos, Leiter des Toleranten Brandenburg: „Aufgrund der Vorfälle in der jüngsten Zeit häuften sich in der Folge Fragen, ob Brandenburg wieder in die Situation der 90er Jahre zurückfalle. Dieser Sichtweise können wir selbstbewusst entgegengetreten. Seit Ende der 90er Jahre hat Brandenburg sowohl die Probleme klar benannt als auch Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung erfolgreich umgesetzt. Und es war immer klar, dass Schulen dabei eine wichtige Rolle spielen. Da Rassismus und Rechtsextremismus in allen Altersgruppen der Gesellschaft vorkommen, brauchen wir eine gute Zusammenarbeit auch mit den Kommunen und außerschulischen Organisationen. Das Handlungskonzept des Landes hat auf wichtige gesellschaftspolitische Entwicklungen der letzten Jahre reagiert, steht aber – wie wir sehen –  immer wieder vor neuen Herausforderungen, auf die wir Antworten finden müssen und finden werden.“

Maßnahmen Schule

Auch aufgrund der Ergebnisse der Studie soll das erfolgreiche Projekt „Starke Lehrer – Starke Schüler“, das an mehreren Oberstufenzentren (OSZ) bereits umgesetzt wird, künftig als Fortbildungs- und Coachingprogramm weiterentwickelt und insbesondere an Oberschulen ermöglicht werden. Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag für einen adäquaten Umgang mit Rechtsextremismus an Schulen und zur nachhaltigen Stärkung der demokratischen Kultur. Mit dem 5-Punkte-Plan zur Stärkung der politischen Bildung an Brandenburger Schulen wird Demokratiebildung als Schulentwicklungs- und Beteiligungsprozess intensiviert. Unterstützt werden die Schulen durch verbesserte Beratung, Fortbildung und mehr Vernetzung. Zudem werden die Schulen durch erweiterte Projektförderung im Bereich der politischen Bildung und der Extremismusprävention gestärkt.

 

Die Ergebnisse der Jugendstudie im Bereich „Ausländerfeindlichkeit“, Rechtsextremismus und Diskriminierung

Die Anfälligkeit für rechtsextreme Einstellungen unter Schülerinnen und Schülern ist zwischen 1993 und 2010 deutlich gesunken. Während im Jahr 2017 ein sehr deutlicher Anstieg zu verzeichnen war, ist die Anfälligkeit 2022/2023 insgesamt wieder leicht gesunken. Auffallend bleibt, dass Jungen häufiger Zustimmung zu ausländerfeindlichen und rechtsextremen Aussagen zeigen als Mädchen.

 

Ausländerfeindlichkeit

Die Mehrheit der Jugendlichen ist „Eher“ oder „Völlig“ der Meinung, man solle „Ausländer“ willkommen heißen (64,9 Prozent), „Ausländer“ seien eine Bereicherung für Deutschlands Kultur (50,5 Prozent) und „Ausländer“ sollen auf dem Arbeitsmarkt gleiche Chancen wie Deutsche bekommen (89,1 Prozent). Dagegen sind 44,1 Prozent der Jugendlichen „Eher“ oder „Völlig“ der Meinung, es gebe in Brandenburg zu viele „Ausländer“, 48,2 Prozent denken, dass „Ausländer“ zu Problemen auf dem Wohnungsmarkt führen.

 

Rechtsextremismus

Die Mehrheit der Jugendlichen lehnt jeweils alle erhobenen rechtsextremen Aussagen ab. Aber fast die Hälfte (47,2 Prozent) meint „Eher“ oder „Völlig“, dass „Schluss mit dem Gerede über unsere Schuld gegenüber den Juden“ sein solle. Jeweils fast ein Viertel (24,0 Prozent) ist der Meinung, der Nationalsozialismus habe „auch seine guten Seiten gehabt“ und die Deutschen seien „anderen Völkern überlegen“ (22,8 Prozent).

Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus nach Schulform:
Ausländerfeindlichkeit ist an Oberschulen (39,4 Prozent) und Oberstufenzentren/ OSZ (37,9 Prozent) verbreiteter als an Gymnasien (23,9 Prozent). Rechtsextremismus ist vor allem an Oberschulen im Vergleich zu den anderen Schulformen verbreitet (24,6 Prozent).

Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus nach Altersgruppen:
Die jüngeren Jugendlichen stimmen „ausländerfeindlichen“ Aussagen etwas seltener „Völlig“ oder „Eher“ zu als die älteren. Rechtsextremen Aussagen stimmen die jüngeren Jugendlichen deutlich häufiger zu als die älteren.

Diversität und Diskriminierung

Personen mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft erfahren Diskriminierung vor allem aufgrund von „Herkunft/Ethnie“ (31,9 Prozent), „Religion“ (20,2 Prozent) und „Sonstiges“ (37,2 Prozent). Sie erleben aber auch in anderen Bereichen mehr Diskriminierung als Deutsche. Deutlich mehr Mädchen (29,5 Prozent) berichten von Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts als Jungen (9,0 Prozent). Nur wenige der befragten Jugendlichen bezeichnen sich nach eigenen Angaben als „Divers“ (n = 49), daher sind Aussagen über diese Gruppe mit einer deutlich erhöhten Ungenauigkeit behaftet. „Diverse“ Jugendliche berichten sehr häufig von Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität (72,6 Prozent) oder sexuellen Orientierung (63,7 Prozent).

Hintergrund

Seit 1991 werden Veränderungen ausgewählter Lebensbedingungen und Einstellungen Jugendlicher im Land Brandenburg in unterschiedlichen zeitlichen Abständen erfasst. Einschließlich der vorliegenden Untersuchung wurden bisher neun Studien durchgeführt. Für die die aktuelle Studie wurden von November 2022 bis Januar 2023 insgesamt 3.142 Schülerinnen und Schüler an 36 allgemeinbildenden Schulen und OSZ des Landes Brandenburg befragt. Die Studie ist repräsentativ: Alle Altersgruppen, Schulformen und Regionen sind angemessen vertreten (Ausnahme: Oberspreewald-Lausitz). Die Daten wurden für die deskriptiven Analysen gewichtet.

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