Brandenburg

Wider das Vergessen: Zeitzeuge Walter Bingham spricht in Brandenburger Schulen über den Holocaust

Walter Bingham hat als Jugendlicher den Holocaust überlebt – und spricht nun vor mehr als 500 Brandenburger Schülerinnen und Schülern über die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten, über Judenverfolgung und über die Hoffnung durch Frieden, Toleranz und Demokratie. Vom 8. bis zum 12. Mai besucht der 99-jährige Zeitzeuge und Journalist aus Israel verschiedene Schulen in Brandenburg.

 

Bildungsstaatssekretär Steffen Freiberg: „Für Brandenburgs Schülerinnen und Schüler ist der Besuch Walter Binghams eine großartige Bereicherung des Unterrichts. Zeitzeugen geben der Vergangenheit ein Gesicht. Kinder und Jugendliche können sich direkt und persönlich damit auseinandersetzen, was zur Zeit ihrer Vorfahren passiert ist und was dies heute für ihre eigene Generation bedeutet. Das Lernen von Demokratie speziell vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist ein Schwerpunkt der politischen Bildung in unseren Schulen. Ich bin Walter Bing­ham sehr dankbar, dass er die weite Reise auf sich genommen hat und seine Erinnerungen an Nationalsozialismus, Judenverfolgung und Krieg mit den Schülerinnen und Schülern teilt.“

Zeitzeugengespräche und eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte sind Teil der Demokratiebildung und der historisch-politischen Bildung in Brandenburg. Das MBJS hat dafür erst im Februar den „5-Punkte-Plan zur Stärkung der politischen Bildung an Brandenburger Schulen“ vorgelegt. Mit dem Zeitzeugenprogramm unterstützt das MBJS Gespräche von Schülerinnen und Schülern mit Zeitzeugen. Zudem fördert das MBJS Gedenkstättenbesuche von Schulgruppen mit rund 150.000 Euro jährlich und stellt den Einsatz von zwölf Lehr- und Fachkräften in Gedenkstätten sicher. Hinzu kommen Kooperationen mit externen Partnern wie den Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie Brandenburg (RAA) und der Fachstelle für historisch-politische Bildung des Landesjugendrings Brandenburg. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist im Rahmenlehrplan verankert, vor allem im Geschichtsunterricht der 9. und 10. Klasse.

Walter Bingham wird für sein Engagement als Zeitzeuge am 8. Mai 2023 von Ministerpräsident Dietmar Woidke mit dem Verdienstorden des Landes Brandenburg ausgezeichnet. Er wird bis zum 12. Mai an fünf Orten in Brandenburg insgesamt mehr als 500 Schülerinnen und Schülern seine Erfahrungen und Erlebnisse schildern:

Wann? Wo?
8.5., 12-14 Uhr Kongresshotel Potsdam, Am Luftschiffhafen 1, 14471 Potsdam, für die Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“, Potsdam
9.5., 11-13 Uhr Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, Struveweg, 14974 Ludwigsfelde (Teltow-Fläming)
10.5., 11-13 Uhr Oberstufenzentrum „Alfred Flakowski“, Caasmannstr. 11, 14770 Brandenburg an der Havel
11.5., 11-13 Uhr Louise-Henriette-Gymnasium, Dr.-Kurt-Schumacher-Str. 8, 16515 Oranienburg (Oberhavel)
12.5., 11.30-13.30 Uhr Lausitzarena, Hermann-Löns-Str. 18, 03050 Cottbus, für die Lausitzer Sportschule Cottbus

Dr. Mathias Iffert, Direktor des LISUM: „Ich freue mich sehr, dass Walter Bingham im LISUM vor 200 Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften als einer der letzten lebenden Zeitzeugen über sein Leben und Überleben in der Zeit des Nationalsozialismus berichten wird. Indem er im Lebensalter von 99 Jahren erneut von Israel nach Deutschland fliegt, um seine Erfahrungen mit jungen Menschen zu teilen, setzt er ein eindrückliches Zeichen gegen das Vergessen. Ich freue mich darüber, dass die anwesenden Schülerinnen und Schüler aus vielen Schulen des Landes Brandenburg diese Gelegenheit nutzen werden, um an einer so eindrucksvollen Lebensgeschichte teilzuhaben und zahlreiche Fragen zu stellen.“

Dr. Iris Gerloff, Schulleiterin Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“ Potsdam: „Die Folgen der NS-Diktatur spüren wir bis heute. Menschen wie Herr Bingham bieten den Jugendlichen einen unmittelbaren Zugang zu dieser Vergangenheit. Die Schülerinnen und Schüler der Sportschule bekommen die seltene Gelegenheit, Geschichte nachzuempfinden und mit dem Gehörten die Zukunft zu gestalten – #LernenDurchErleben.“

Rainer Marxkors, Schulleiter Oberstufenzentrum Alfred Flakowski: „Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat einmal gesagt: ‚Die größte Gefahr ist das Vergessen dessen, was Menschen einander antun können.‘ Wir wollen dieser Gefahr entgegenwirken, in dem wir das Vergessen verhindern. Und wie könnte dies besser gelingen als durch eine Diskussion mit einem betroffenen Zeitzeugen.“

Gabriele Schiebe, Schulleiterin Louise-Henriette-Gymnasium Oranienburg: „Es sind die persönlichen Erinnerungen, die berühren, im Kopf bleiben und weitererzählt werden. Die Chance, dass die Schülerinnen und Schüler dank Herrn Bingham eine neue Perspektive auf den Widerstand in der NS-Zeit erhalten, ist eine großartige Gelegenheit, aus der Vergangenheit zu lernen, die Gegenwart zu verstehen sowie die Zukunft zu gestalten.“

Sten Marquaß, Schulleiter Lausitzer Sportschule Cottbus: „Wir sind sehr froh, dass unsere Schülerinnen und Schüler die Chance bekommen, die Erfahrungen und Erlebnisse eines Zeitzeugen auf dem Weg zu einer faschistischen Gesellschaft und über die Traumata des Krieges zu hören. Sie sind eine Mahnung für alle nachfolgenden Generationen und immer aktuell.“

Biografische Angaben zu Walter Bingham

Walter Bingham wurde als Wolfgang Billig 1924 als Sohn jüdisch-galizischer Eltern in Karlsruhe geboren. Seine Eltern waren aus Polen nach Westen ausgewandert. Er erlebte als Kind die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 und die zunehmende Diffamierung und Diskriminierung in den folgenden Jahren in Deutschland – von Benachteiligungen in der Schule über Bücherverbrennungen und die Novemberpogrome bis zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit und Abschiebung des Vaters nach Polen. Ihm selbst rettete 1939 ein Kindertransport für jüdische Kinder nach Großbritannien das Leben. Für den britischen Militärdienst im Einsatz gegen Nazi-Deutschland änderte er seinen Namen. Später wurde Bingham zu einem dekorierten Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Für seine Landung in der Normandie wurde er 2018 mit der Ehrenlegion – der höchsten Auszeichnung Frankreichs – geehrt. Seine Mutter fand er 1945 in einem Arbeitslager wieder, sein Vater blieb verschollen. Walter Bingham lebte und arbeitete als Journalist und Radio-Moderator in Großbritannien. Im Jahr 2004 siedelte er nach Israel um, wo seine Tochter lebt. Der 99-Jährige hat zwei Enkel und zwei Urenkel.

Weitere Informationen:

Außerschulische Angebote zur politischen Bildung in Brandenburg

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Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“

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