Berlin

Nach Urteil des Bundessozialgerichts: ver.di fordert Weiterbetrieb der Volkshochschulen mit fairen Arbeitsbedingungen für Lehrende

Angesichts der unklaren Rechtslage nach einem Urteil des Bundessozialgerichts fordern ver.di und die Berliner VHS-Dozent*innen-Vertretung den Berliner Senat auf, den Weiterbetrieb aller Berliner Volkshochschulen im Sommerprogramm und im kommenden Herbstsemester zu sichern. Denn der Regelbetrieb ist akut in Gefahr. Aktuell stellen fünf der zwölf Berliner Volkshochschulen wegen rechtlicher Bedenken der jeweiligen Bezirke (persönliche, finanzielle Haftung, befürchtete Strafbarkeit des Abschließens von Honorarverträgen) vorläufig keine Honorar-Verträge mehr für die Dozent*innen aus. Damit wären die Volkshochschulen in Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf, Neukölln, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick von Stilllegung bedroht und die dort Lehrenden von Arbeitslosigkeit.
Grund dafür ist ein Urteil des Bundessozialgerichts von 2022, das aufgrund der Klage einer freiberuflichen Musikschullehrerin neue Kriterien für die Unterscheidung von selbstständiger und abhängiger Beschäftigung festgelegt hat. Nach diesen Kriterien, wie Eingebundensein in den Betriebsablauf und Fehlen einer eigenen Betriebsstätte, müssten die freiberuflichen VHS-Kursleitenden angestellt werden. Als Folge des Urteils überprüfte die Deutsche Rentenversicherung in diesem Frühjahr einige Vertragsverhältnisse von Berliner VHS-Dozent*innen und stellte eine abhängige Beschäftigung fest. Aufgrund des Gerichtsurteils ist die jahrzehntelang übliche Beschäftigung von ausschließlich freiberuflichen Lehrenden an den Volkshochschulen nicht mehr rechtskonform. Die Deutsche Rentenversicherung lehnt es ab, VHS-Dozent*innen weiter als Selbstständige einzustufen.
Zur Entschärfung dieser Situation begrüßt ver.di die Initiative des Senats, als pragmatische Zwischenlösung ein Moratorium bei der Deutschen Rentenversicherung zu erwirken, damit diese für eine befristete Zeit auf Statusfeststellungen von Kursleitenden verzichtet.
„Während des Moratoriums müssen – mit Beteiligung von Dozent*innen und ihrer Vertretungen – langfristige rechtssichere Lösungen erarbeitet werden, um die prekären Beschäftigungsverhältnisse endlich zu beenden und feste Stellen zu schaffen. In der akuten Krise ist es vorrangig, die finanzielle Situation der Lehrenden sowie das Angebot für die Teilnehmer*innen zu sichern“, fordert Mila Neunzig, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di Berlin.
„In der momentanen Lage stehen etliche Kolleg*innen in Kürze ohne Verträge und somit ohne Einkommen da. Als Freiberufler*innen bekommen wir kein Arbeitslosengeld. Das darf nicht wahr werden! Wir brauchen eine Lösung der akuten Krise und eine langfristige soziale Absicherung“, so Mira Köller, Mitglied der Berliner VHS-Dozent*innen-Vertretung und des Berliner Erwachsenenbildungsbeirats.
An den zwölf Berliner Volkshochschulen arbeiten rund 4000 freiberufliche Dozent*innen. Etwa 900 von ihnen, vor allem in den Bereichen Deutsch als Zweitsprache und Fremdsprachen, haben einen Status als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter*innen und erhalten vom Land Berlin Zuschüsse zur Sozialversicherung, weil sie hauptberuflich für die Volkshochschulen arbeiten. Sie sind aber dennoch als Selbstständige jederzeit von Kursausfällen und damit von Einkommens- oder Arbeitsverlust bedroht – ohne jegliche Absicherung.

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