FernsehnMedien/Kultur

„ttt – titel thesen temperamente“ am Sonntag, 30. Juli 2023, um 23:35 Uhr

Die geplanten Themen:

Ende der China-Illusion – ein neuer Umgang mit der Supermacht

So lautet der Titel des neuen Buches von Sinologin Janka Oertel, in dem sie die Entwicklung der bisherigen deutsch-chinesischen Beziehungen zusammenfasst und für die Zukunft einen pragmatischen Umgang fordert. Nur: Wie soll der aussehen? Der im deutschen Exil lebende Hongkong-Dissident Ray Wong jedenfalls wünscht sich von der deutschen Politik eine klare Verurteilung Chinas, das nicht nur in seiner Heimatstadt Menschenrechte verletzt.
Es ist ein schwieriger Spagat für Politik und Wirtschaft, aber nach langem Ringen hat die Bundesregierung vor kurzem ihre China-Strategie vorgestellt und sowohl Janka Oertel als auch Ray Wong sehen darin einen wichtigen ersten Schritt. Immerhin wird China nicht nur als Partner, sondern erstmals auch als „systemischer Rivale“ bezeichnet. Dass China an der deutschen Strategie nur verhalten Kritik übt, dürfte allerdings weniger an deren Brillanz, als vielmehr der eigenen wirtschaftlichen Schwäche liegen: Die Jugendarbeitslosigkeit in China ist nach Corona auf über 20 Prozent gestiegen. Wie auch immer das Kräftemessen der Systemrivalen ausgehen wird, das Verhältnis zu China wird zwischen Wertepolitik und wirtschaftlicher Kooperation auszubalancieren sein. (Autorin: Petra Böhm)

Das Prinzip „Teile und Herrsche“ im Gesellschaftsdrama „Black Box“

Ein neuer Hausverwalter richtet sich in einem schwarzen Container im Hinterhof eines Mietshauses ein. Die Bewohner fragen sich: Was hat das zu bedeuten? Werden jetzt alle kontrolliert oder kehrt endlich Ordnung ein in dem heruntergekommenen Gebäude?
In ihrem Film „Black Box“ zeichnet die Regisseurin Aslı Özge einen Mikrokosmos aus alteingesessenen Mietern und Migranten, Meckerern, Mitläufern und Rebellen – ein perfektes Spiegelbild des gesellschaftlichen Makrokosmos. Als bei einem Polizeieinsatz das ganze Gebäude abgeriegelt wird, sind plötzliche alle auf engstem Raum eingesperrt. Der Zusammenhalt der Gemeinschaft steht auf dem Prüfstand.
Präzise analysiert die Regisseurin Machtverhältnisse und Nachbarschaftsbeziehungen. Sie zeigt, wie in Stresssituationen Misstrauen und Angst einkehren. Wer kann wem vertrauen? Auf welcher Seite steht der neue Verwalter? Und was setzt sich am Ende durch: das Prinzip der Solidarität oder die Egoismen der Einzelnen? Der Hinterhof wird zur Blackbox, die allmählich ihre Wahrheiten enthüllt. (Autorin: Hilka Sinning)

Techno oder Blasmusik – Meute aus Hamburg vereint beides

Meute aus Hamburg. Eine Blaskapelle spielt Techno. Und alle tanzen. So einfach ist das. Und gleichzeitig so vielschichtig. In Zeiten der Spaltung ist ja allein das Zusammenbringen von ganz unterschiedlichen, gemeinsam friedlich tanzenden Menschen mittlerweile schon ein politischer Akt. Mit ihrem Bühnendress nehmen Meute der herrschende Klasse die Uniform weg, so wie es die Karnevalsgesellschaften schon früher mit der Politik gemacht haben. Und dann ist da noch was nicht ganz Unwesentliches: ihre fantastische Musik. Meute spielen Techno. Musik der Gegenwart. Die Spielmannszüge waren früher das, was heute die DJs sind: Ekstase, Augenblicklichkeit. Bis in den 70er Jahren die Pioniere der elektronischen Musik die Blasinstrumente ins Synthetische zu überführen begannen.
Heute spielen Meute also Tanzmusik der Gegenwart, die ursprünglich von Blaskapellen-Sounds inspiriert waren, wirklich als Blaskapelle. Und gehen damit direkt unters Volk. Meute sind wie ein pumpendes Herz. Oh ja, wir leben noch. (Autor: Andreas Krieger)

Die Lust am Widerstreit – die erste Biografie über Schriftstellerin Brigitte Reimann

„Ich bin so gierig nach Leben.“ Was für ein Satz. Was für ein Bekenntnis und was für ein Verlangen. Den Satz hat die junge Brigitte Reimann in ihr Tagebuch notiert. Sie hat damit ihren Anspruch als Frau und Schriftstellerin erklärt, sich einzumischen, ihren Glücksanspruch zu behaupten, auf Wahrheitssuche zu sein und sich keinem ideologischen Diktat zu beugen. „Ich bin so gierig nach Leben“, heißt auch die erste Biografie über die bekannte DDR-Schriftstellerin von Carsten Gansel, die dieser Tage zu ihrem 90. Geburtstag erschienen ist. Die mit nur 39 Jahren an Krebs verstorbene Autorin hat mit ihren Romanen „Franziska Linkerhand“ und „Die Geschwister“ ein präzises Panorama der konfliktgeladenen Gesellschaft in der DDR geliefert, die obendrein Bestseller wurden. Ist nicht das Verblassen hochfliegenden Ideale an einer widerspenstigen Wirklichkeit Thema bis heute? Nunmehr wird Brigitte Reimann auch von einem Publikum in England und den USA entdeckt. Lucy Jones hat „Die Geschwister“ übersetzt und arbeitet gerade an „Franziska Linkerhand“. (Autor: Jens-Uwe Korsowsky)

ModerationMax Moor

„ttt – titel thesen temperamente“ ist am Sendetag ab 20:00 Uhr in der ARD Mediathek verfügbar.

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